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1870/71: Franzosen in Köln – Die vergessenen Gefangenen des Deutsch-Französischen Kriegs
19. Juni 2022 @ 11:00 – 13:00
Vor 150 Jahren werden sie als Eroberer erwartet – und kommen als gedemütigte, geschlagene Armee. Fast eine halbe Million Franzosen geraten im Deutsch-Französischen Krieg in Gefangenschaft. Ab September 1870 kommen sie auch nach Köln. Bis zu 18.000 Franzosen werden hier interniert. Die Offiziere leben in der Stadt und nehmen am gesellschaftlichen Leben teil, die Soldaten werden in Deutz, Gremberg und Wahn in Lager gepfercht.
Wie gehen die Kölnerinnen und Kölner mit ihnen um? Halten umgekehrt die Franzosen die Kölner für stramme Preußen – oder für heimliche Freunde Frankreichs? Die Begegnungen verlaufen jedenfalls offenherziger, als die Klischees vom „Erbfeind“ es nahelegen. Vor allem Kölnerinnen kümmern sich um die Gefangenen – teils unter hämischer Kritik nationalistisch eingestellter Männer. Die Mehrheit aber zeigt sich pragmatisch und geschäftstüchtig. Und sehr kontaktfreudig: „Tout Cologne“ pilgert in Scharen nach Wahn, um die Gefangenen zu besuchen. Oder nach Deutz zur Aufführung einer Operette von Jacques Offenbach, gespielt von dort internierten Franzosen.
Von erstaunlicher Aktualität ist eine Pandemie: mit den Franzosen kommen die Pocken. Köln übersteht die Seuche dank kluger Maßnahmen und trotz wütender Proteste von Impfgegnern relativ glimpflich. Spannend vor dem Hintergrund der heutigen Rassismus-Debatte ist der Umgang mit Menschen aus den Kolonialgebieten. Nie vor 1870 hat man in Köln so viele arabisch sprechende Muslime gesehen: Den gefangenen afrikanischen Soldaten aus Frankreichs Kolonien begegnen die Kölnerinnen und Kölner mit rassistischen Vorurteilen, aber auch unbändiger Neugierde und Mitgefühl.
Nach einigen Monaten kippt die Stimmung. Ängste und Aggressionen dominieren. Im Frühjahr 1871 verlassen die letzten Franzosen Köln. Mit ihnen verschwindet auch die Erinnerung an diese denkwürdige Episode der deutsch-französischen Geschichte. Sie steht bis heute im Schatten des von moderneren und totalen Kriegen geprägten 20. Jahrhunderts, dem endlich die Aussöhnung folgte.
Auf der Basis zahlreicher deutscher und französischer Quellen – Dokumente aus Archiven, Zeitungsartikel und Augenzeugenberichten – zeichnet Mario Kramp ein lebendiges Bild dieser erstaunlichen, bis heute vergessenen deutsch-französischen Begegnung.
Referent: Dr. Mario Kramp; Vortrag und Buchvorstellung im Verlag Ralf Liebe, Kölner Str. 58 in Weilerswist
Eintritt frei
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.