Buchvorstellung im historischen Ratssaal in Bad Münstereifel

Heiratsschwindler – Bürgermeister – Hexenjäger. Zur Karriere eines Juristen im 17. Jahrhundert

Geschichte im Kreis Euskirchen, Jg. 31

Karin Trieschnigg: Dr. Johannes Moeden (1592 – 1663). Heiratsschwindler – Bürgermeister – Hexenjäger. Zur Karriere eines Juristen im 17. Jahrhundert, Weilerswist 2018

Während des 16. und 17. Jahrhunderts wurden vor den weltlichen Gerichten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Tausende Hexereiverfahren geführt. Die moderne Hexenforschung hat sich intensiv mit den Verfolgungsstrukturen, den beteiligten Personen, insbesondere mit den Opfern beschäftigt. In der Nordeifel, in den Herrschaften und Städten des Erzbistums Köln und im Herzogtum Westfalen engagierten sich so genannte „Hexenkommissare“ in den Prozessen. Bislang fehlt es an Biographien, die deren Tätigkeit nicht nur vor Gericht, sondern ihre Ausbildung, ihr soziales Profil, ihre familiären wie beruflichen Netzwerke untersuchen. Für den Juristen Dr. Johannes Moeden, einen der berüchtigsten „Hexenkommissare“, wird diese Forschungslücke mit dem vorliegenden Buch geschlossen.

Die Autorin Karin Trieschnigg hat während zwanzig Jahren eine akribische Spurensuche in den Archiven betrieben, um die Biographie Moedens erstellen zu können. Aus vielen Puzzleteilchen konnte sie das Leben und das Itinerar Moedens rekonstruieren. Plastisch sichtbar wird nun ein Jurist, der seinen Weg machte vom sich fromm gebenden Jesuitenschüler in Koblenz über eine Studienzeit in Würzburg bis zu einem geachteten Ratsherrn und Bürgermeister in Münstereifel und schlussendlich als Assessor am Koblenzer Hofgericht. Sein Engagement als „Hexenkommissar“, das mehr als 300 Menschen den Feuertod brachte, hat seinem bürgerlichen Aufstieg nicht im Wege gestanden. 

Neben diesem geradlinig erscheinenden Karriereweg enthüllt Karin Trieschnigg die zweite, weniger achtbare Seite des Johannes Moeden als Heiratsschwindler wie auch als Bankrotteur, der aus Münstereifel fliehen musste. Damit liegt erstmals die ausführliche Biografie eines Juristen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges vor, zu dessen alltäglichem Geschäft auch die Hexenjagd gehört hat.

ISBN: 978-3-994566-85-6
Preis: 15,- € 

Bild oben: Buchvorstellung im historischen Ratssaal in Bad Münstereifel
(von links nach rechts: Karin Trieschnigg, Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian, Dr. Gabriele Rünger)
Foto: Marita Hochgürtel

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Rezensionen


Dr. Thomas P. Becker: Literatur zur Hexenverfolgung, in: Rheinische Vierteljahrsblätter, Jg. 84, Bonn 2020, S. 419-425.

Dr. Petr Kreuz in: „Pražský sborník historický“ XLVII, Prag 2020, S. 495-499
Übersetzung in Auszügen:
Wenn ich die Forschung aus meinem Fachgebiet und einem Spezialgebiet beobachte, ist es immer eine tolle Sache für mich, aber auch eine seltene Freude, wenn ich mich mit dem veröffentlichten Ergebnis der Studie eines qualifizierten und professionell kompetenten Forschers  vertraut machen kann, der sich nicht nur für ein paar Monate oder höchstens ein paar Jahre mit seinem speziellen Thema beschäftigte,  wie es bei akademischen Historikern der Fall ist, sondern über lange Zeit, oft sogar für mehrere Jahrzehnte. Diese Arbeiten zeichnen sich nicht nur durch Gründlichkeit aus, sondern ermöglichen auch eine enge Vertrautheit mit dem Thema und den Akteuren der beschriebenen historischen Ereignisse. Eine Arbeit dieser Art ist zum Beispiel die Dissertation des österreichischen Historikers Gerald Mülleder, die ich vor einiger Zeit in dieser Zeitschrift rezensiert habe (PSH 40, 2012, S. 415-422). Die Biografie von Karin Trieschnigg, einer Regionalhistorikerin aus der Stadt Bad Münstereifel in der deutschen Region Eifel an der Grenze der heutigen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, weist ebenfalls das gleiche Kennzeichen für eine enge und langfristige Vertrautheit mit dem Forschungsthema auf. Die Monographie ist der Person und Tätigkeit des Juristen und ehemaligen Münstereifeler Bürgermeister Dr. Johannes Moeden gewidmet. (…)

K. Trieschnigg schildert in ihrem Werk einen der Protagonisten der Hexerei. Sie liefert eine wertvolle und sehr detaillierte, wenn auch sicherlich nur teilweise Antwort auf (oft gestellt, aber selten beantwortet) die Frage nach dem Schicksal und der Karriere eines Mannes, der sich als erfolgreicher Hexenjäger an der Spitze der europäischen Hexenjagd etablierte. Die Antwort klingt zweideutig: Einerseits war er ein Mann aus den Reihen der Stadtelite, ein universitär ausgebildeter Jurist und Vater von insgesamt sieben Kindern, andererseits ein Mann mit einer Reihe schlechter Eigenschaften, der trotz seines relativ hohen Einkommens und eines soliden Familieneigentums in Konkurs gegangen war und Ehebetrug begangen hatte. Trotz der erwähnten negativen Eigenschaften (Gier, Feigheit, Rücksichtslosigkeit, Widerwillen, sich den Folgen seines eigenen Handelns zu stellen), die Trieschnigg an einigen Stellen betont hat, tritt Moeden vor dem Leser nicht als perversen Psychopath auf, obwohl diese Vorstellung des Hexenjägers im allgemeinen Bewusstsein sehr weit verbreitet ist.  In Moedens Fall war er jedoch auch ein Mann, der in der meisten Zeit seines Lebens respektiert und vollständig und multilateral in die lokalen, sozialen und familiären Bindungen integriert war.

Das Quellenverzeichnis zeigt, dass die Autorin Dokumente studiert hat, die in etwa zwei Dutzend staatlichen, städtischen, kirchlichen und anderen Archiven verstreut sind, und dass die Arbeit das Ergebnis eines wirklich gründlichen und zeitaufwändigen Studiums ist. Ich halte dies bereits für eine würdige explizite Auszeichnung, die innerhalb des verstreuten Archivnetzes in den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geleistet wurde. Bewundernswert ist auch die Breite der verwendeten Quellen. Doch Trieschnigg konnte sich dem Verfahren, das in Denkbiographien von Mitgliedern der bürgerlichen und unteren Schichten aus der frühen Neuzeit recht häufig angewandt wurde, nicht ganz entziehen. Dieses Verfahren besteht darin, dass in Ermangelung spezifischer biografischer Daten für eine bestimmte Lebensphase die Interpretation der Persönlichkeit selbst durch eine Beschreibung des Umfelds ersetzt wird, in der sich die Persönlichkeit in einer bestimmten, unzureichend dokumentierten Zeit befand. Trieschnigg war mehrmals gezwungen, sich selbst zu helfen, z.B. im Prozess um Moedens Kindheit oder seine Arbeit mit Marsilius Palandt, aber sie tat dies in sehr erträglichem Maße. Darüber hinaus ist nicht zu übersehen, dass sie der Forschung unweigerlich viele neue Erkenntnisse über die Umgebungen hervorgebracht hat, in denen Moeden sich in verschiedenen Stadien seines Lebens bewegte. Die Autorin nutzte auch die günstige Tatsache, dass die Pfarrbüchher aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus einer Reihe von Städten und Dörfern in der Eifel erhalten blieben.

Die Veröffentlichung schließt mit einer Bestandsaufnahme der verwendeten gedruckten Quellen und Literatur sowie Personenregister und Ortsnamen ab. Ergänzt wird die Publikation durch eine Reihe von Schwarz-Weiß-Textbildern und 21 Farbfotos in einem separaten Anhang. Mehrere genealogische Übersichten sind auch ein Beweis für die gründliche Arbeit der Autorin, insbesondere bei dem Studium der Pfarrbücher.

Zusammenfassend stellt die Monographie von K. Trieschnigg einen wertvollen und facettenreichen biografischen Beitrag zur Geschichte der europäischen Hexenprozesse, zur Geschichte der städtischen Eliten in der frühen Neuzeit und allgemein zur deutschen Sozialgeschichte des 17. Jahrhunderts dar.

                                                                                                Petr KREUZ

Leonhard Lehmann (Philosophisch-Theologische Hochschule der Kapuziner, Münster) in: Recensionis Collectanea Franciscana 90 (2020) 3-4, S. 677-679

Trieschnigg, Karin, Dr. Johannes Moeden 1592-1663. Heiratsschwindler – Bürgermeister – Hexenjäger. Zur Karriere eines Juristen im 17. Jahrhundert [Geschichtsverein des Kreises Euskirchen, Jülicher Ring 32, D-53879 Euskirchen]. Weilerswist,
Verlag Ralf Liebe, 2018. 24 cm, 166 p., ill. (€ 15,00) ISBN 978-3-944566-85-6
„…und Syndacus der Kapuziner könnte man den Titel fortsetzen, denn Dr. Moeden verwaltete zeitweise das Geld der Kapuziner und war mit einer letzten Rate von 200 Reichstalern lange rückständig. Da er wie auch sonst im Leben mit den Kapuzinern unehrlich umging, soll seine Biographie hier durch eine Rezension „gewürdigt“ werden.
Die Lehrerin und Freundin der Stadtgeschichte, Karin Trieschnigg aus Münstereifel, hat gut daran getan, während zwanzig Jahren akribisch den Schlichen des Juristen Moeden nachzugehen. Über ein Dutzend Archive hat sie besucht (aufgelistet S. 148-153) und viele Bibliotheken. Ihr besonderes Interesse gilt ihrer Heimat, der rauen Eifel, und darin besonders dem Schicksal der Frauen, namentlich der Hexen. Durch das Studium der Hexenprozesse kam sie auf ganz andere Rollen, die der bisher nur als Ratsherr und Bürgermeister bekannte und geehrte Dr. Moeden gespielt hat, obwohl er die Stadt Münstereifel nur kurz leitete und im März 1642 fluchtartig verließ. Er ließ sein Haus samt Möbel zurück – und eine Menge Schulden. Um diese zu begleichen, kam es 1648 zu einem Prozess, in den auch die Kapuziner verwickelt waren, und schließlich zur Versteigerung seines Hauses. Die Kapuziner traten 1653 ihren Anspruch auf 200 Reichstaler an die Jesuiten ab. Diese erwarben das Haus für 850 Reichstaler und gestalteten es in ein Hospital um, da das alte Hospital ihnen für die Erweiterung ihres Kollegs im Wege stand. So kamen sie mit Erlaubnis des Lehnsherrn in Düsseldorf zu ihrem Kolleg und zu einem erneuerten Hospital. Die Kapuziner gingen wie andere Gläubiger leer aus; sie
nährten sich wie der kleine Mann von ihrer Hände Arbeit, von ihrem Garten und einer Tuchweberei.
Doch kehren wir zur Hauptperson dieses Buches zurück: Der Jurist Johannes Moeden, promoviert in kirchlichem und weltlichem Recht, ist einer der berüchtigsten Hexenjäger in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 1627 begann seine Karriere als gefragter Spezialist in Verfahren der Hexerei in der Grafschaft Manderscheid-Blankenheim in der Eifel und endete 1660 an seinem letzten Gerichtsschauplatz in Schönstein an der Sieg. In diesem Zeitraum brachte er über 300 Menschen auf den Scheiterhaufen, unter ihnen auch zwei Priester des Eifeldekanates. Johannes Moeden stammte aus einer wohlhabenden Koblenzer Wollweberfamilie, die ihm eine akademische Ausbildung ermöglichte. Er zeigte sich als eifriger und frommer Jesuitenschüler, der nach dem Willen des Vaters das Studium der Jurisprudenz ergriff und in Würzburg erfolgreich abschloss. Ein privater Skandal verhinderte eine aussichtsreiche Juristenkarriere in seiner Heimatstadt Koblenz und verschlug Dr. Moeden in die Eifel. Es folgte eine eilige, heimliche Hochzeit mit der Tochter des Schultheißen von Remagen. Eilig, weil die Braut schwanger war, und heimlich, weil seine erste Verlobte vor dem Offizialat zu Koblenz eine Matrimonialklage gegen ihn eingereicht hatte. Sein Wohnsitz auf der Burg Heistard in der Nähe des Dorfes Holzheim ließ ihn Land, Leute und Mentalität der Bevölkerung in der Eifel kennenlernen, was ihm für seine bald folgende Tätigkeit in den Hexenprozessen hilfreich
war. Doch das dörfliche Milieu erfüllte nicht die Ansprüche des gebildeten Juristen. Die Familie zog in das nahe gelegene Münstereifel, wo sie vor 1626 das Bürgerrecht erwarb.
Beide Ehepartner hatten dort Verwandte und konnten sich durch Patenschaften ein dichtes soziales Netzwerk aufbauen. Dank guter nachbarschaftlicher Beziehungen und mithilfe des gesellschaftlichen Kontaktes in der Liebfrauenbruderschaft galt Moeden bald als ehrbarer, geschätzter Bürger. 1635 wurde er Ratsherr und besetzte als Präfekt der Liebfrauenbruderschaft ein höchstes Ehrenamt der Stadtgemeinschaft. Bereits 1628 trat er als Kaufzeuge der Kapuziner auf, die ein baufälliges Lehnshaus an der Stadtmauer erwarben. Sie waren seit Oktober 1619 in der Stadt ansässig und kauften nach und nach Häuser auf, um Kloster und Kirche auf dem erworbenen Gelände errichten zu können.
Dr. Moedens Dienstfertigkeit für die Kapuziner ging noch weiter, denn er bürgte für die Zahlung des Kaufpreises von 110 Reichstalern. Eine großzügige Schenkung der Familie Spies von Büllesheim ermöglichte dem Orden, durch den Verkauf des geschenkten Hauses weitere Geldmittel für die Bauarbeiten zu bekommen. Dr. Moeden standen nach sechsjähriger Tätigkeit im lukrativen Geschäft der Hexenprozesse genügend finanzielle Mittel zu Verfügung, um die 1000 Reichstaler, die laut Kaufvertrag vom 12. Februar 1633 in Raten geleistet werden sollten, aufzubringen. Allerdings sorgte die letzte Rate für Verstimmung, da die Kapuziner die Zustimmung des Lehnsherren zum Verkauf erst 20 Jahre später einholten; Dr. Moeden jedoch blieb die restlichen 200 Reichstaler schuldig. Glanzvoll war sein Auftreten als Bürgermeister des Jahres 1637/38, doch hinterließ er einen hohen Schuldenberg. Als er 1642 mit seinen sieben Kindern überstürzt nach Koblenz zurückkehrte, blieben 23 Gläubiger zurück, unter ihnen die Kapuziner mit ihrer Restforderung des Kaufpreises. Sie erhofften sich eine promptere Bezahlung, als sie
ihren Anspruch gegen Dr. Moeden an die Jesuiten abtraten. Eine trügerische Hoffnung, denn 1671 belief sich die Forderung der Kapuziner an die Jesuiten auf 529 Reichstaler (einschließlich Zinsen). Dr. Moeden wurde Assessor am Koblenzer Hofgericht und fand weitere Beschäftigung in Hexenprozessen kleinerer Territorien nahe Koblenz. Die hohe Prozessquote, die er in der Eifel erzielt und weit über zweihundert Menschen das Leben gekostet hatte, erreichte er in den Gebieten um Koblenz nicht mehr. Seine Opfer starben einen qualvollen Tod – der Hexenjäger hingegen wurde nach seinem ehrenvollen Tod am 24. Februar 1663 noch ehrenvoller von seinen Mitbrüdern der Koblenzer Mariensodalität zum Grab geleitet.
Der Bogen, den Frau Trieschnigg schlägt, stimmt sehr nachdenklich: „Der große Trauerzug vom Sterbehaus zur Kirche sang den im Beerdigungsritus vorgesehenen
Bußpsalm 51(50), das Miserere. Dieser Psalm hatte ihn oft begleitet: als jungen Geißler während der Disciplina im Oratorium der Jesuiten zu Koblenz, als Hexenkommissar in den Verhörstuben der Gerichte, während Angeklagte ein Miserere lang gefoltert wurden. Das Miserere mei, Deus an diesem denkwürdigen Tag im Februar 1663 galt nun ihm auf seinem letzten Weg“ (S. 110).
So nah liegen Gewalt und Frömmigkeit! Nicht nur bei Hexenprozessen. Erstaunlich, dass Jesuiten und Kapuziner sich haben von einem Hexenjäger bedienen lassen. Jedenfalls ist in dem Buch kein Hauch davon zu finden, dass sie Dr. Moeden ins Gewissen geredet, gegen die Verbrennung von Hexen protestiert hätten oder den Frauen zu Hilfe gekommen wären. Und dies auch noch Jahre, nachdem der Jesuit Friedrich Spee (1591- 1635) 1631 anonym seine Cautio criminalis gegen die Hexenprozesse veröffentlicht hatte; er war wohl die große Ausnahme und seiner Zeit voraus.
Die dunkle Seite eines vermeintlich gut katholischen Karriere-Menschen im 17. Jahrhundert öffentlich gemacht und mit 21 Farbtafeln sogar illustriert zu haben, ist das große Verdienst der Freundin der Kapuzinergeschichte, deren Buch über die Kapuziner in Münstereifel wir mit Spannung erwarten.
Leonhard Lehmann
Philosophisch-Theologische Hochschule der Kapuziner − Münster

Erika Münster, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 223, 2020.

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