Zeitungsartikel

Ein Zankapfel der Mächtigen

Kreis-Geschichtsverein gibt neue Einblicke in die Zülpicher Stadtgeschichte – Artikel von Stefan Lieser in der Kölnischen Rundschau / Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalausgabe Kreis Euskirchen, Montag, 30.11.2020

Die Schlupfpforte war einst mit Falltor und Klappbrücke gesichert. (Stefan Lieser)

Das gibt es nur in Zülpich: Die vier mittelalterlichen Stadttore, hier das Kölntor, sind mehrere Meter vor die Stadtmauer gesetzt worden. Das war zwar militärisch wenig sinnvoll, machte aber einfach mehr Eindruck. Fotos: Stefan Lieser (Stefan Lieser)Von Stefan Lieser

Eifelland/Zülpich. „Neue Beiträge zur Geschichte Zülpichs“ verspricht die Jahresschrift 34 des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen. Ein fünfköpfiges Autorenteam widmete sich den bedeutendsten Kapiteln der Stadt – von der Römerzeit bis ins 17. Jahrhundert.

Dass das erstmals vom römischen Geschichtsschreiber Tacitus 70 nach Christus erwähnte Tolbiacum ein bedeutendes militärisches Kastell war, ist eine Legende: Man nahm die mittelalterliche Landesburg auf dem höchsten Punkt der Stadt, vermutete hier römische Ursprünge der Befestigungsanlage, dazu die überraschend luxuriöse Ausstattung der Thermen neben der Pfarrkirche St. Peter.

Das alles, sowie die strategische Bedeutung des einstigen Tolbiacums am Kreuzungspunkt mehrerer römischer Fernstraßen, die auch dem schnellen Truppentransport dienten, hört sich zunächst plausibel an. Doch so einfach ist es dann wohl doch nicht.

Strategische Interessen

Wohl erstmals in dieser Form wird dieser Gründungsmythos der Stadt zurechtgerückt, das macht den Beitrag von Werner Eck lesenswert. Dabei will Eck die Bedeutung der Stadt gar nicht herunterspielen. Der von Ubiern besiedelte Vicus, umgeben von landwirtschaftlichen Gehöften, den Villae Rusticae, gehörte demnach zum Einflussbereich der CCAA (Colonia Claudia Ara Agrippinensum) mit dem Zentralort Köln und diente vor allem strategischen Interessen.

Erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts wurde um den zu Tacitus’ Zeiten von einigen „Straßenpolizisten“ bewachten Kreuzungspunkt an einem Handwerker- und Wohnflecken zwischen Mühlenberg und Hoven eine erste Mauer angelegt. Man habe sich, so Eck, vor zunehmenden Überfällen germanischer Stämme schützen wollen. Die Thermenanlage, Hauptattraktion des heutigen Bademuseums, gehörte nach Meinung des Autors vermutlich nicht zu einem Repräsentationsbau, sondern war ein öffentliches Gebäude.

Dennoch ist mit der Anlage der Stadt auf dem letzten Höhenzug der Nordeifel vor der fast topfflachen Bördelandschaft der Keim für die berühmt-berüchtigten Auseinandersetzungen zwischen den Kölner Erzbischöfen und den Grafen, später Herzögen von Jülich, gelegt. Sprichwörtlich war Zülpich zwischen 1200 und 1400 hin- und hergerissen.

Diese Geschichte erzählen Dietmar Flach und Markus Jansen. Sie haben offenbar die relevanten erhaltenen Quellen im Archiv der Stadt – etwa Ratsprotokolle aus vergangenen Jahrhunderten – auswerten können.

Lesenswerte Beiträge

Das tat auch für neun lesenswerte Beiträge der Historiker Bernhard Wißmann, der so eigentlich alleine diese Dokumentation zur Zülpicher Stadtgeschichte hätte bestreiten können.

Bernhard Wißmann fungiert als eine Art Herausgeber der Jahresschrift. Seine Beiträge zur Geschichte der Zülpicher Schöffensiegel zwischen 1297 und 1634, zu den Zülpicher Hochgerichtsschöffen, zu Bürgermeister, Rat und Geheimen Räten ab dem 14. Jahrhundert sind in großen Teile noch nie veröffentlicht worden.

Spannend nachzuvollziehen ist auch, wie etwa Dietmar Flach die unterschiedlichen Gebietsansprüche und Herrschaftszugehörigkeiten der drei Zülpicher Pfarreien St. Peter, St. Marien, St. Martin als eine Ursache Jahrhunderte dauernder Auseinandersetzungen zwischen den Herren von Jülich und den Kölner Erzbischöfen erklärt. So stellte St. Marien, ihre Ruinen sind unterhalb der Burg an der Straße Schießbahn in einem Garten versteckt, als zu Jülich gehörendes Gebiet eine Art Stachel im Besitztum der Kölner Erzbischöfe dar, glaubt Flach.

Wechselnde Herrschaften

Die zum Hof Mersburden gehörende St.-Martin-Pfarrkirche – sie stand einst vor den Stadtmauern – war in diesem Machtpoker offenbar nicht eindeutig zuzuordnen. Aus dieser Gemengelage ergaben sich immer wieder wechselnde Herrschaften, im Verlauf des 13. Jahrhunderts praktisch alle zehn Jahre. Alleine die Abgabepflichten der Bevölkerung spielten noch bis zum Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) eine Rolle.

Da kam 1640 ein zusätzlicher Schrecken über die Stadt mit der Besetzung und Plünderung durch 2000 hessische und weimaranische Soldaten, vermutlich Söldner. Zudem wurde Zülpich 1604, 1693 und 1704 von Bränden heimgesucht. 1689 brannten französische Truppen die Burg ab.

Quellenkritisch dargestellt

„In Zöllechs ahle Muure, do ess höck widder jett loss“ lautet der Refrain eines alten Karnevalsliedes. „Jett loss“ – das waren über Jahrhunderte immer wieder unruhige und für die Bevölkerung schwierige Zeiten. Wesentliche Fakten daraus teilweise erstmals quellenkritisch dargestellt zu haben, ist das Verdienst dieses Jahrbuches.

Geschichte im Kreis Euskirchen, Jahrgang 34, Jahresschrift. Geschichtsverein des Kreises Euskirchen, Verlag Ralf Liebe, Weilerswist. 354 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und Fotos, ISBN 978-3-948682-10-1 – 24 Euro.

Die Schlupfpforte in der Landesburg

Der Ausbau der Befestigung mit Mauern und Stadttoren spielte eine immer größere Rolle, wie Markus Jansen recherchierte. Die Burg entstand demnach auf einem von Hermann Blankard, Amtsmann der Herren von Jülich, Mitte des 14. Jahrhunderts errichteten Bau. Die kurkölnische Landesburg, wie sie noch heute zu sehen ist, errichtete Erzbischof Friedrich III. Ende des 14. Jahrhunderts.

Mit Backsteinen wurde die alte Bruchstein-Stadtmauer erhöht und es entstanden die vier Doppeltor-Anlagen mit Zwinger. Sie sind einige Meter vor die Stadtmauer gesetzt – ein Unikum in dieser Zeit. Militärisch habe das wenig Sinn gemacht, so Jansen, aber umso mehr als „Inszenierung von Macht“. Nicht vier, sondern fünf Tore hat die Stadtbefestigung. Die Schlupfpforte an der Feldseite der Burg eröffnete den wechselnden Burgherren etwa die Möglichkeit, bei Bedarf eigene Truppen in die Stadt einzuschleusen. Das wurde von der Bevölkerung als Zeichen des Misstrauens betrachtet. Denn aus deren Reihen kamen diejenigen, die das Gemäuer bewachen sollten. (sli)

Nach oben scrollen