Artikel KStA/KR zur Vorstellung der Jahresschrift 2022

Von Maschinenwesen und Massenmenschen

Kölner Stadt-Anzeiger / Kölnische Rundschau: Artikel von Stefan Lieser in der Lokalausgabe Euskirchen / Eiferer Land vom 19. November 2022: „Der Kreis-Geschichtsverein widmet dem Schriftsteller Heinz Küpper seine aktuelle Jahresschrift“


Euskirchen-Kuchenheim. 
Dem 2005 verstorbenen Bad Münstereifeler Schriftsteller Heinz Küpper widmet der Geschichtsverein des Kreises Euskirchen seine Jahresschrift 2022. Küppers Roman „Milch und Honig“ von 1965, vor allem aber die maßgebliche fragmentarische Vorstudie „Zur Fabrik“ von 1955 standen im Mittelpunkt der Präsentation in der ehemaligen Spinnerei des LVR-Industriemuseums Tuchfabrik Müller.

Es hätte mutmaßlich keinen besseren Ort für die Vorstellung der von Dr. Reinhold Weitz und der Ko-Vorsitzenden des Geschichtsvereins, Dr. Gabriele Rünger, editierten Neuausgabe des Küpper-Romans „Milch und Honig“ geben können. Denn für den gebürtigen Euskirchener Küpper (1930-2005) gehörte die Arbeit als Werkstudent in den Semesterferien in der Tuchfabrik Ruhr-Lückerath bei Euenheim zu den nicht nur für sein literarisches Schaffen prägenden Erlebnissen. 

Küpper hat das, was er dort sah, in zehn Notizheften exakt protokolliert und literarisch umgeformt für seinen Fragment gebliebenen Roman „Zur Fabrik“, dessen Fertigstellung er als Folge einer Sinnkrise und Schreibblockade 1955 abbrechen musste. 

„Zur Fabrik“ ist aber vor allem der zentrale literarische Rohstoff, aus dem Küpper seinen zweiten Roman entwickelte: „Milch und Honig“ erschien 1965 und wurde nach Küppers Überraschungsdebüt „Simplicius 45“ von 1963 von Publikum wie Literaturkritik mit Spannung erwartet. 

Die handschriftlich verfassten Notizhefte zum Romanfragment, dazu wichtige editorische Hinweise, der Roman „Milch und Honig“, ein Überblick über die Literaturkritik hierzu und eine lesenswerte Biografie des jungen Heinz Küpper finden sich nun auf nur 254 Seiten zusammengefasst in der Publikation des Geschichtsvereins. Die beiden zentralen literarischen Texte darin sind vom Umfang her eher eine Erzählung. 

So wird auch der Bezug des Lebens Küppers zu seiner schriftstellerischen Arbeit deutlich. Ein Beispiel ist der Kontakt, der zwischen Küpper und Heinrich Böll bestand. Wie jener war auch Küpper ein scharfer Sozialkritiker und genauer Beobachter der gesellschaftlichen Entwicklungen der Nachkriegszeit. Küpper rechnete aber auch mit dem aus seiner Sicht in der Eifel durchaus begrüßten Aufstieg der Nationalsozialisten ab. 

Eine sprachgewaltige Suada dazu findet sich in „Milch und Honig“. Und Küpper hat wie Böll das Talent zu erzählen. Etwa in „Zur Fabrik“, wo er von „Maschinenwesen“ und „Massenmenschen“ schreibt. Tatsächlich sei aber nicht Böll, sondern John Steinbeck aus den USA Küppers großes literarisches Vorbild gewesen, so die Herausgeber.

Unterstützt von der Konejung-Stiftung, die sich seit Jahren um die Neuedition des Werks von Heinz Küpper bemüht, und Küppers langjährigem Verleger Ralf Liebe aus Weilerswist – er gibt auch die Jahresschriften des Geschichtsvereins heraus –, kann das nun alles nachgelesen und so ein wichtiger deutscher Nachkriegsautor wiederentdeckt werden. Seine „Jakob“-Romane gelten Manchen gar als erste „Eifelkrimis“.

In der Spinnerei der Tuchfabrik Müller hinterließen aber nicht Auszüge eines 1967 vom Bayerischen Rundfunk produzierten Hörspiels des Romans „Milch und Honig“ den stärksten Eindruck beim Publikum. Es waren stattdessen die vom Schauspieler Tom Jacobs gelesenen Passagen aus dem Romanfragment „Zur Fabrik“: „In 27 Minuten würde die Fabrik schreien. Den Webstühlen würde es in die Gelenke fahren, die Treibriemen würden anziehen und losrasen. Die Maschinen starteten wie schlaftrunken, aber liefen bald auf, vollzogen ihre perfekte, gnadenlose Gymnastik vor den Menschen, die sie schmierten und fütterten.“

„Lesen Sie Heinz Küpper! Es lohnt sich“, warb Gabriele Rünger am Ende einer beeindruckenden Buchpräsentation. Wer mehr Heinz Küpper hören will, der findet ebenfalls im Verlag von Ralf Liebe die Audio-CD „Hermann Rohr und Andere – Notizen vom Rand der Biografie“ von Heinz Küpper, gelesen von Bernt Hahn, Renate Fuhrmann, Gerd Köster und Chris Nonnast. Heinz Küpper – Milch und Honig – Ein Roman entsteht. Geschichte im Kreis Euskirchen, Jahrgang 36, Jahresschrift des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen; 254 Seiten, Verlag Ralf Liebe, 2022, 20 Euro. ISBN: 978-3-948682-39-2.

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